„Der Antiquar wollte einen erheblichen Teil der Bücher zurückbehalten, hauptsächlich kostbare Erstausgaben – nur, weil ich sie nicht bezahlen konnte! Das war gemein und kleinkariert, und ich fing an zu weinen und zu jammern, aber er ließ sich nicht erweichen. Ich beschimpfte ihn wild, und nachdem ich mir so viele Bücher in einen riesigen Sack gepackt hatte, wie meine Reisekasse zuließ, zog ich davon. Ich war blank, aber glücklich.“
Als ich diesen Satz zum ersten Mal gelesen habe, wusste ich, dass mich jemand versteht. Mich und meine Sucht nach Büchern. Seitdem habe ich diesen Satz viele weitere Male gelesen und auch alle anderen Sätze in dem fantastischen Buch Die Stadt der träumenden Bücher von Walter Moers. Der Lindwurm Hidegunst von Mythenmetz befindet sich in einer Schreibkrise und reist nach Buchhaim, um den Autor eines Manuskripts zu finden, das den Lindwurm in poetische Extase versetzt hat. In Buchhaim wird das Buch zelebriert: Es gibt Druckereien, Verlage, Agenten, Antiquariate, Lesungen, literarische Cafés, Schriftsteller, gescheiterte Existenzen, Buchalchimisten und die Stadt selbst steht auf Katakomben voller Bücher. Diese Stadt existiert nicht nur in Moers´ Fantasie-Kontinent Zamonien, sondern auch in Wirklichkeit. In den Niederlanden habe ich Buchhaim gefunden.
Etwa zwölf Kilometer hinter der deutsch-niederländischen Grenze liegt Bredevoort. Anfang der 90er Jahre wurde befunden, dass Bredevoort eine prima Bücherstadt abgeben könnte, und so wurde die Bücherstadt Bredevoort 1993 offiziell eröffnet.
Entlang der ruhigen Kopfsteinpflasterstraßen liegen kleine Backsteinhäuser mit hölzernen Fensterläden, die Antiquariate, Buchbindewerkstätten, kleine Tante-Emmaläden, spezialisierte Buchhandlungen und Cafés beheimaten. Auf den Bürgersteigen und an Häuserwänden stehen Regale und Büchertische voller alter Bücherschätze. Wer ein bis drei Euro in eine Büchse wirft, darf stolzer Besitzer eines der Bücher sein.
Es macht Spaß, in den Regalen zu stöbern. Man entdeckt Bücher, die man mal hatte, die man immer mal haben wollte, in der Schule lesen musste oder eigentlich mal hätte lesen müssen.
„Ich war in einer Mission unterwegs, ich mußte Bücher kaufen, viele Bücher, etwas anderes interessierte mich nicht.“ (Walter Moers – Die Stadt der träumenden Bücher)
Eine entspannte Stille liegt über allem. Man wird gegrüßt, zuerst auf holländisch, dann doch auf deutsch. Katzen sonnen sich auf dem Kopfsteinpflaster.
Überall sind kleine, liebevolle Details zu entdecken. Herzen aus Holzperlen in den Fenstern, Namensschilder an Haustüren, die aus einem Ast geschnitzt sind, handgemalte Schilder in den Schaufenstern und alles scheint nicht aus dieser Zeit und nicht von dieser Welt zu sein. Ein Wahnsinn. Ich möchte an einem der winzigen Häuser klingeln und einziehen, in einer Buchbinderei anheuern, ein eigenes Geschäft eröffnen – hauptsache hierbleiben. Buchhaim gibt es wirklich.
Das war die letzte Station meiner Reise zu Orten, an denen Menschen das lieben, was sie tun. Das spürt man mit jeder Faser und das ist eine Entdeckung, die mich froh macht.
Ich wünsche euch Schönes,
Natalie
heimatPOTTential meint
Liebe Natalie, haste nicht Lust, Dich dem Ruhrpott-Blogger-Netzwerk Blogowski anzuschließen?! Würde mich freuen! Meld Dich doch einfach mal per Mail, wenn Du magst.Schöne Grauwettergrüße aus Essen SteeleJuli
bestmade meint
Bredevoort ist sooo toll, da war ich auch schon einige Male. Die Holländer halt :)Und es gibt auch eine geniale Appeltarte in diesem komischen Café/Kneipe auf der Ecke am Markt. Ich glaub, das war die beste Appeltarte, die ich in Holland je gegessen habe.
Tinse meint
Oh, das klingt nach einem wirklich tollen Fleckchen Erde! Da würd ich jetzt glatt auch gerne hin.Liebe Grüße,Tina
Erinnerungsverliebt meint
Ich glaub da muss ich auch mal hin… Hört sich toll an… Kennst du harlem? Auch eine unglaublich tolle holländische Stadt. Nur mit nich so vielen Büchern aber trotzdem toll.Schön dass du jetzt auch bei den blogowskis bist. Liebste grüße Kirsten
Oktoberwind meint
Wundervoll geschrieben und wundervolle Fotos. Ich würde am liebsten sofort in das Auto steigen und auch in die "Stadt der Bücher" eintauchen. Vielen Dank für diesen schönen Einblick.Allerliebste Grüße von mir